Welche Wirkung hat die Anfechtungserklärung des Insolvenzverwalters?

Die Anfechtung verbotener Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Insolvenzgläubiger in der wirtschaftlichen Krise vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist angesichts der Massearmut der meisten Insolvenzverfahren eine der wichtigsten Maßnahmen zur "Anreicherung" der Insolvenzmasse.

Vielfach können Insolvenzverfahren überhaupt nur deswegen eröffnet werden, weil im Insolvenzeröffnungsverfahren durch ein gerichtlich angeordnetes Massegutachten Anfechtungstatbestände festgestellt werden, die eine Rückforderung zum Insolvenzmasse erlauben. Solche Tatbestände sind vor allem

Kongruente Deckung

Kongruent ist die Deckung einer Forderung durch Sicherung oder Befriedigung, wenn der Insolvenzgläubiger darauf einen Anspruch hatte. Solche Rechtshandlungen sind mit Ausnahme von Finanzsicherheiten (Barguthaben, Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Schuldscheindarlehen) anfechtbar, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners

  • in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. Der begünstigte Insolvenzgläubiger muss dabei die Zahlungsunfähigkeit oder zumindest Umstände gekannt haben, die darauf zwingend schließen ließen, wie z.B. eine entsprechende Mitteilung des Schuldners oder erfolglose Zwangsvollstreckung.
  • nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. Der begünstigte Insolvenzgläubiger muss zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantrag oder Umstände gekannt haben, die darauf zwingend schließen ließen, wie z.B. eine entsprechende Mitteilung des Schuldners oder erfolglose Zwangsvollstreckung.

    Bei begünstigten nahe stehenden Personen (Ehegatten, Lebenspartner, Angehörige, Verwandte) wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsbeschlusses gesetzlich vermutet.

Inkongruente Deckung

Inkongruent ist die Deckung einer Forderung durch Sicherung oder Befriedigung, wenn der Insolvenzgläubiger darauf keinen Anspruch oder nicht in der gewährten Art oder zu der Zeit hatte. Hierzu zählen vorgezogene Zahlungen oder Sicherheiten zugunsten befreundeter Gläubiger und vor allem nahe stehender Personen.

Solche Rechtshandlungen sind einschließlich Finanzsicherheiten anfechtbar, wenn sie

  • im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder danach vorgenommen wurden.
  • innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag erfolgte und der Schuldner bereits zahlungsunfähig war. Eine Kenntnis des begünstigten Insolvenzgläubigers davon ist nicht erforderlich.
  • innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag erfolgte und dem Gläubiger die Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger bekannt war oder er sie zwingend kennen musste. Bei begünstigten nahe stehenden Personen (Ehegatten, Lebenspartner, Angehörige, Verwandte) wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsbeschlusses gesetzlich vermutet.

Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

Unmittelbar nachteilig sind alle Rechtsgeschäfte, die nicht unter die Deckungsanfechtung fallen, aber trotzdem für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger schmälern, wie z.B. die Kündigung eines für den Schuldner wirtschaftlich günstigen Vertrags. Solche Rechtshandlungen sind einschließlich Finanzsicherheiten anfechtbar, wenn sie

  • in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolgte, der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und dem Gläubiger dies bekannt war oder zwingend kennen musste.
  • nach dem Insolvenzantrag erfolgte und der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und der andere Teil Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzantrag kannte oder darauf schließende Umstände zwingend kannte.

    Bei begünstigten nahe stehenden Personen (Ehegatten, Lebenspartner, Angehörige, Verwandte) wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsbeschlusses gesetzlich vermutet.

Vorsätzliche Benachteiligung

Eine auf zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag verlängerte Anfechtungsfrist gilt, wenn der Schuldner Vermögensverschiebungen bewusst vorgenommen hat, um die späteren Insolvenzgläubiger zu benachteiligen und der Begünstigte diesen Benachteiligungsvorsatz kannte. Diese Kenntnis wird gesetzlich vermutet, wenn der Begünstigte zumindest eine dem Schuldner drohende Zahlungsunfähigkeit und die Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger kannte.

Wollte der Schuldner mit einer ihm nahe stehende Person durch einen entgeltlichen Vertrag im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung wie z.B. einem Unterpreisverkauf die Insolvenzgläubiger benachteiligen, so ist diese Rechtshandlung bis zu zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag anfechtbar.

Unentgeltliche Leistung

Bis zu vier Jahren vor dem Insolvenzantrag sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners an einen anderen mit Ausnahme gebräuchlicher Gelegenheitsgeschenke geringen Werts anfechtbar.

Kapitalersetzende Darlehen

Die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen besitzen ein erhebliches Interesse, zur Kapitaldeckung gewährte Darlehen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich zu retten. Der Entzug solcher kapitalersetzender Darlehen kann sich daher für die Insolvenzgläubiger sehr negativ auswirken und ist daher durch den Insolvenzverwalter langfristig anfechtbar. Die Anfechtung ist bei einer Sicherung solcher Darlehen z.B. durch Gewähr von Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen oder Grundpfandrechten in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsverfahren oder danach möglich. Bei einer Leistung auf ein solches Darlehen ist die Anfechtung im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder danach zulässig.

Ziel der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ist die Rückgewähr zur Insolvenzmasse und damit deren Anreicherung zugunsten der Insolvenzgläubiger. Der Anfechtungsgegner kann dann seine Forderung als normale Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden. Ihm gebührt dann nur wie den anderen Insolvenzgläubigern die quotenmäßige Befriedigung bei der Verteilung der Insolvenzmasse.